Kürzlich durfte ich die Gedenkveranstaltung Generationen im Dialog begleiten. Ein außergewöhnliches und berührendes Erlebnis.
Im Buchladen: Hitlers Wien. Hitlers Frauen, Hunde, Panzer, Züge. Und Hitlers Opfer – der Holocaust, das monströseste Verbrechen der bisherigen Menschheitsgeschichte.
Dies ist die dominante Geschichte der NS-Unrechtszeit, die Gesichte Hitlers und der Opfer seines Systems. Opfer, so wie Österreich selbst. Sehr angenehm lebt es sich seit 7 Jahrzehnten nun in der Komfortzone des Opfermythos.
Unsere, die österreichische, große Geschichte vermisst noch immer die Erzählstränge des Widerstandes. Drastisch wie selten zuvor hat mir das die Gedenkveranstaltung im ehemaligen Hinrichtungsraum am Wiener Landesgericht vor Augen geführt. Über 1200 Menschen wurde dort hingerichtet, rund die Hälfte davon Widerstandskämpfer_innen.
Menschen, die sich aktiv, willentlich und um den Preis ihres Lebens dem NS-Unrechtsregime entgegengestellt haben.
Keine Opfer, sondern Handelnde, Aktive, Selbstbestimmte Menschen. Diese Menschen, die Erinnerung an Sie und Ihr Opfer zu bewahren und zu einem wichtigen Teil unserer Geschichte zu machen halte ich für unverzichtbar, heute mehr denn je zuvor. Was wir von dieser, deren Geschichte lernen können, ist Selbstermächtigung, des Achten von Menschenwürde, Menschenrechten und Demokratie, Aktiv werden statt wegsehen.
Tugenden, die heute allzu oft mit dem hier als Schimpfwort verstandenen Begriff „links“ verknüpft sind – und dabei die unverrückbare Basis, das Zentrum einer demokratischen Gesellschaft sein sollten.
„Framing“ ist als Konzept und Begriff gerade viel diskutiert. Der Zusammenhang von Sprache und Denken also, das Etablieren von Bedeutungsmustern. Reden und Denken wir nur über Opfer, wie soll uns Selbstermächtigung, aktives Handeln, Widerstand gelingen? Ein wie ich finde wichtiges Re-Framing der NS-Zeit wäre es, den Widerstand zu würdigen, damit dieser auch wirkungsmächtig für unser heutiges Denken und Handeln wird.
Recht haben bedeutet Konflikt.Wahrheit bedeutet Krieg.
— Stefan Parnreiter-Mathys
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der persönliche Kontakt zu Opfern, Widerstandskämpfer_innen und all deren Hinterbliebene durch nichts ersetzt werden kann. Weil wir alle sind Beziehung und Empathie, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, persönliche Gespräche, Mensch in die Augen sehen, diese fühlen, triggert Empathie, bei uns allen, davon bin ich fest überzeugt.
Mich hat es erschüttert die Söhne und Töchter, die Enkel und Enkelinnen der ermordeten Widerstandskämpfer_innen bei der Gedenkveranstaltung am 25.10. zu treffen und zu sprechen. Die Interviews, die ich mit einigen im Anschluss führte, waren mit einer der schwersten Jobs meines Lebens. Und die einfache Dankbarkeit meiner Gesprächspartner_innen gehört zu werden war erstaunlich. Nein, Töchter und Söhne der Ermordeten fordern nicht lautstark Rechte ein, wollen nicht um jeden Preis Recht haben. Sie wollen gehört werden und ihre Geschichte weitergeben, nicht mehr, diese Demut hat mich tief berührt.
Und ganz besonderer Dank geht hierbei an Grete „Maxi“ Plotnarek, die mir Ihre Erinnerungen in Buchform schenkte. „Der Kopf meines Vaters.“ Wir alle sollten das lesen – und mit Maxi sprechen solange sie noch da ist, uns zu erzählen.
Niemals vergessen.